Musik: Reinhard Mey: Friedhof

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Ich geh gern in einer fremden Stadt

auf den Friedhof

so ein Friedhof hat etwas Gastfreundliches

und steht allen offen:

Manchen nur für seine Mittagszeit

manchem für die ganze Ewigkeit

und Du hast schnell n’en Gesprächspartner getroffen.

Insel im Meer der Geschäftigkeit

Blumengarten der Gelassenheit

sinnigerweise vom Lebensbaum umgeben

zeig mir Hochmut und Vergänglichkeit

tröste mich und mach den Blick mir weit

für den Wert der Dinge

an denen wir kleben.

 

Jede Grabinschrift und jeder Stein

erzählen mir in Gräberlatein

von den Unvergess’nen

die zu früh entschweben.

Jede Plasteblume, die da sprießt

jede Primel die kein Schwein mehr gießt

kann mir was erzählen

von denen die noch leben.

Ich seh mir die Jahreszahlen an,

manchmal kommt er früh der Sensenmann

manchmal trödelt er herum der alte Mäher.

Geh nur Deiner Wege sagt er mir

einmal enden sie doch alle hier

und Du siehst ja die Einschläge kommen näher.

 

Ich sitz gern auf einer Friedhofsbank

seh die schattigen Alleen entlang

und denk nach

übern den tief‘ren Sinn der Reise.

Mit dem schicken Laptop auf den Knien

blätter ich von Termin zu Termin

und wenn wichtig davor steht

kicher ich leise.

Kann ja sein ich verpaß‘ grad den Tanz ums goldene Kalb

aus der Distanz

wird nicht jedes „dringend“ und „eilt sehr“ beachtet.

Es ist nichts von dem man denkt

dass die ganze Welt von abhängt

wichtig, von einer Friedhofsbank aus betrachtet.

Heute macht sich schon manch Junger krumm

für n’en Platz im Altersheim

darum geh‘ ich nur konsequent einen Schritt weiter:

Mach mich schon mal mit dem Platz vertraut

an dem man mich eines Tags verstaut

und geh an den Job zurück

gelöst und heiter.

Aufgeräumt und quicklebendig

kehr ich heim in das Leben ringsumher

les‘ im Geh’n die Inschrift auf der Friedhofsmauer.

Die Lektion die sie mich schweigend lehrt

ist die grad geschwänzte Sitzung wert

jedes Ding hat seine Zeit, nichts ist von Dauer

dabei wär ich durchaus bereit

gegebenenfalls überhaupt nicht zu sterben

um den Beisetzungsgeiern

und den peinlichen Grabreden zu entgeh’n

doch ich will’s mir mit meinen Erben

nicht verderben.