01 Mai
„Erfahrung, Spiritualität und Glaube“ von Claus Maywald
Erfahrung, Spiritualität und Glauben
Eine Auseinandersetzung mit dem christlichen Glaubensbekenntnis
Meine Auseinandersetzung mit dem christlichen Glaubensbekenntnis ist Etappe auf einem längeren Weg. Sie wurde in Folge eines späten Verständnisses von Metaphern und Bilder der Religion im Zusammenhang eigener Erfahrung und Gefühlen geführt. Das Verständnis wiederum ist die Frucht der Erkenntnis, dass jene Metaphern und Bilder offenbar auf den gleichen oder wenigstens ähnlichen Erfahrungen und Gefühlen fußen, wie ich sie erleben durfte. Das gab mir einen Schlüssel an die Hand, Türen zu öffnen, die mir vorher ver-schlossen waren. Denn wenn ich auch die Erfahrungen nicht so benenne, wie die in Form gegossenen zweitausend und mehr Jahre alten Worte und ihre späteren Interpretationen, so glaube ich jetzt hinten den alten Worten diese Erfahrung zu spüren, die meinem Erleben entspricht und die mir daher auch ein Verständnis anderer, älterer Bilder möglich macht.
Um zu einem Verständnis bei mir selber, aber auch nach außen zu gelangen, habe ich dem christlichen Glaubensbekenntnis jeweils meine eigenen Worte vorangestellt. Mit ihnen kann ich auch jene aussprechen, weil sie in mein Verständnis übersetzen worden sind. Damit ist es letztlich eher eine Auseinandersetzung mit der Form, weniger mit dem Inhalt.
Der Wunsch, einer Gemeinschaft in unserer Kultur anzugehören, welche meine Erfahrungen und Gefühle in eine andere, mir kulturell vertraute Form gegossen hat, ist der zweite Grund, sich dem christlichen Glaubensbekenntnis zu nähern.
Die Grundlage der ganzen Auseinandersetzung liegt in meinem Leben selber begründet. Sie ist die Folge der eigenen Auseinandersetzung mit und der Veränderung nach dem Tod unserer jüngsten Tochter Lara. Die Erfahrungen, die ich dort machen durfte – und vorher auch so intensiv nicht gekannt habe – sind in dem ersten Teil des Bekenntnisses zusammengefasst.
Das Glaubensbekenntnis
Ich habe eine Erfahrung gemacht und mache sie immer noch. Sie hat sich zu einem Gefühl und zu einem Wissen im Lauf der Zeit verdichtet. Sie besagt: ich werde getragen; ich werde geführt; es ist weitaus größer als ich selbst; ich verdanke es nicht mir, sondern habe es geschenkt bekommen; es ist ein Band zwischen den Generationen, den Lebenden und den Toten; es ist ein Band durch die Zeit hindurch; ein Band durch den Raum hindurch; es ist die Gleichzeitigkeit alles Geschehenen, das sich mit Lichtgeschwindigkeit ausbreitet, und es ist die Gleichzeitigkeit des Materiellen, das sich in mir durch die Äonen verdichtet hat in seinen kleinsten Teilchen. Ein Gefühl der Verbundenheit, überall und gleichzeitig. Es ist alles in einem. Es gehört zusammen, so dass ich spüre und mich erlebe in dem anderen, in allem Lebendigen und Totem als Gleichnis meiner selbst, als mein anderes Ich. Ich weiß es, weil ich es fühle, und das Gefühl schafft mir ein Wissen, aber nicht immer ein Wort.
ICH GLAUBE
Nicht der einzige zu sein, sondern einer unter vielen, die vor mir, mit mir und auch nach mir die Erfahrung teilen können, ist mir bewusst. Dafür wurden viele Worte verwendet, auch solche, die durch den langen Gebrauch mir wenig sagen, so dass ich eine Pause denke, wo andere ein Wort sehen.
AN GOTT
Mutter und Vater, die Verbindung, der ich mein Leben verdanke, und die ich beide in mir trage und weiter trage, sind in mir nicht zu trennen. Umso weniger in der Transzendenz, denn wo der Vater, da die Mutter.
DEN VATER
Wo alles zusammengehört und sich nichts ausgrenzt, wo die Verbundenheit gespürt und gesehen, ohne Fremdheit, das Andere nur das andere Selbst, da ist die Allmacht, in all ihrer Klarheit und Freundlichkeit, ein strahlendes Licht.
DEN ALLMÄCHTIGEN
Ich kann nur im Ursprung denken, brauche einen Grund, damit ich es verstehe, aber ob es so ist, weiß ich nicht, da ich mir beim Erkennen selbst im Wege stehe, das Betrachten von Einfluss nicht frei bleibt. Der Ursprung aus Allem mag ein Schöpfer sein, weil ich es mir nicht anders denken kann, aber in dieser Begrenztheit der Erkenntnis, wird es nicht zu finden sein, bin ich zu klein.
DEN SCHÖPFER
Die Elemente und das Maß meiner Möglichkeiten zu beschreiben, was ich mit den Sinnen aufnehme, zwischen schwer und luftig, zwischen Erde und Himmel, das alles in sich vereint.
DES HIMMELS UND DER ERDE
Unter den vielen, welche die Erfahrung teilen, ragen einige wenige besonders hervor, die mehr erfahren, gespürt und gesehen, mehr verbunden und verdichtet und ausgesprochen haben. Sie sind ein Glück. Jesus Christus steht in unserer Kultur am Anfang, war inspiriert und gefüllt von dem, was mir auch Erfahrung ist. Er fand Worte, wo ich vielleicht eine Ahnung habe. Und so verbinde ich die Worte von Gleichheit, Vergebung, Güte und Liebe mit dieser Botschaft. Ich verstehe, dass sie die Essenz der Erfahrung sind, denn sie führen zum letztendlichen Band zwischen Allen, zu der Liebe.
UND AN JESUS CHRISTUS
Die Inspiration und die Worte, haben einen Geist und einen Körper gefunden, aber das Werk liegt gleichsam dahinter. Und so wie das Werk des Künstlers auch er selber ist und seine Idee und Gestalt nicht zu trennen, so ist das Wort nicht von der Erfahrung zu trennen und von dem Grund, auf der die Erfahrung sich zeigt.
SEINEN EINGEBORENEN SOHN
Die Liebe kennt keine Herren, sie macht uns gleich, berührt wen sie will, sie gehorcht nicht und folgt eigenen Gesetzen. Sie wächst, wenn man ihr folgt, wir sind uns selber Herr.
UNSERN HERRN
Die Erfahrung wird gegeben, sie ist ein Geschenk, das wir freudig empfangen, sobald wir es bemerken. Es enthüllt sich selber und zeigt in unserem Leben immer weitere Schichten, ohne Ende in immer feineren Hüllen.
EMPFANGEN
Der Grund der Erfahrung, der sich mir entzieht, und mich in meinem Denken nur verwirrt, vielleicht ein Klang oder ein Licht näher erfassen kann als ein Wort oder Gedanke, ist unergründlich, daher heilig, als mir fassbarer Ursprung jenseitig, nur durchscheinend.
DURCH DEN HEILIGEN GEIST
Das Schicksal dessen, der die Botschaft gebracht, als Mensch unter Menschen, und nach den damals gültigen Regeln und Gesetzen für seine Botschaft behandelt, geboren, gelebt, gelitten, gestorben und begraben.
GEBOREN VON DER JUNGFRAU MARIA
GELITTEN UNTER PONTIUS PILATUS
GEKREUZIGT, GESTORBEN UND BEGRABEN
Der Tod ist nicht die letzte Grenze, denn die Toten sind bei mir. So bin auch ich aufgehoben in dem Kreis des Lebendigen, ist das Reich des Todes Teil des Kreises, zeigen Botschaft und Erfahrung die Verbindung über Zeit und Raum, zeigen die Gültigkeit schon vor der Botschaft. HINABGESTIEGEN IN DAS REICH DES TODES
Das Universelle der Erfahrung, die sich jedem zeigen kann, überwindet die Schwelle, die wir überschreiten, aber nicht verstehen, der wir die Hoffnung anvertrauen, in Güte aufgenommen und mit Liebe empfangen zu werden, irgendwie „lebendig“.
AM DRITTEN TAG AUFERSTANDEN VON DEN TOTEN
Nach dem Tod sich aufgehoben fühlen, in den Ursprung der Erfahrung, angenommen und von Zeit und Raum enthoben, verbunden und vereint.
AUFGEFAHEN IN DEN HIMMEL
ER SITZT ZUR RECHTEN GOTTES
DES ALLMÄCHTIGEN VATERS
Die Liebe richtet nicht im menschlichen Maßstab, sie ist gütig und geduldig, ohne Strenge hat sie Mitleid und Mitgefühl. Sie setzt Maßstäbe und weiß um deren Grenzen, sieht Gut und Böse nahe beieinander liegen und oftmals nicht zu trennen, die eine Seite bester Freund der anderen. Die Liebe ist die Hilfe, der Weg und das Ziel, die Lösung der Gegensätze, sie richtet uns auf, sie verurteilt uns nicht. Das macht unsere Erkenntnis selber, damit uns verziehen werden kann.
VON DORT WIRD ER KOMMEN
ZU RICHTEN DIE LEBENDEN UND DIE TOTEN.
ICH GLAUBE AN DEN HEILIGEN GEIST
Die Erfahrung zu teilen, ihre verschiedenen Facetten in den Menschen zu sehen oder mitgeteilt zu bekommen, schafft eine Gemeinschaft, die sich einen Rahmen gegeben hat. dieser Rahmen ist von dem Zufall des Ortes abhängig, an dem ich geboren wurde, er ist meine Tradition und Identität.
DIE HEILIGE CHRISTLICHE KIRCHE
Die Erfahrung schafft Gemeinschaft, ist verbindend und wichtig, sie hilft mir über mich selbst hinauszuwachsen, eine gefühlte Gemeinschaft aller Menschen, allem Lebendigem und Totem.
GEMEINSCHAFT DER HEILIGEN
Die Wirkung meiner Handlungen ist durch die Verbundenheiten nicht letztlich zu bestimmen, meine Schuld nicht erkennbar, mein Wille vielleicht auch ins Gegenteil verkehrt. Nur ein weiter Blick kann vergeben, wo es nicht gewollt, und später, wo es Wille war – nicht aus Gleichgültigkeit dem Verhalten gegenüber, sondern aus dem Wissen um Verbindung.
VERGEBUNG DER SÜNDEN
Nur das enge Ich sieht seine Vergangenheit nicht, die Toten sind bei uns so wie wir bei Ihnen, ein ewiger Lauf durch die Zeit, in der wir uns erst eine Weile aufhalten, und dann für immer.
AUFERSTEHUNG DER TOTEN
UND DAS EWIGE LEBEN
AMEN.