Bilder von Felix Pestemer zum Monolog von Claus Maywald

Der Berliner Graphiker und Künstler Felix Pestemer hat sechs großformatige Bilder zu den Textausschnitten des Monologs von Claus Maywald gestaltet. Die Bilder und Texte werden Teil einer Ausstellung zum Thema der Trauerverarbeitung und Trauerfacetten sein, die für Anfang 2019 im Kasseler Museum für Sepulkralkultur vorgesehen ist.

Claus Maywald Lara Maywald Felix Pestemer Monolog

Illustration zum Text „Schleier“

Schleier

 1 Eine Suche nach den Spuren Deiner Moleküle

2 irre werden an der Zeit,

3 an dem Ort, wo Du warst,

4 aber die Bilder sich nicht mehr übereinander legen,

5 sich verdoppeln nach Vergangenheit und Gegenwart,

6 die Magie der Orte, die sich mit Dir verbunden haben,

7 und die ohne Dich in meiner Vorstellung so leer sind,

8 als müssten sie Dich tragen,

9 als hätte die Welt an dieser Stelle eine Lücke,

10 nur weil eine andere Zeit die Spuren nicht sichtbar werden lässt

11 so bist Du doch da gewesen,

12 und nur der Schleier der Zeit lässt mich verzweifeln,

13 ihn wegzureißen und Dich sehen

14 ist mein größter Wunsch,

15 ist mein Ich.

16 So wie der Ort uns trennt,

17 so verbindet er sich auch mit Dir,

18 hat er das Gefühl angenommen, als Du dabei warst,

19 ist er zu Deinem Ort geworden und er wäre nicht das, was er ist,

20 ohne Deine Anwesenheit,

21 ohne Dich.

Claus Maywald Lara Maywald Felix Pestemer Monolog

Illustration zum Text „Schmerz“

Schmerz

 1 Trost entspringt aus dem Schmerz,

2 den ich an allen Orten suche,

3 um noch mehr von Dir zu bekommen,

4 als du ohnehin schon gegeben,

5 mich der Leere auszusetzen,

6 die mich an die Grenzen treibt,

7 meinem Verstand dort Einhalt bietet,

8 und nur das Wissen meiner Existenz etwas ahnt

9 und die Gedanken nicht folgen können,

10 da der Schmerz sie überdeckt,

11 und der Schmerz durch keine Gedanken

12 oder Worte,

13 sich auflöst, sondern in ihnen

14 nur wächst

15 weil nur der Ort es begreift,

16 was ich nicht begreifen kann,

17 es spüre aber nicht verstehe,

18 aber den Schmerz kann ich spüren.

Claus Maywald Lara Maywald Felix Pestemer Monolog

Illustration zum Text „Ort“

Ort

 1 Allein der Gedanke aufzubrechen,

2 den Ort zu suchen, auf dem Weg sein,

3 wo die Erinnerung so stark,

4 die Gedanken so stark,

5 das Leben so stark gewesen,

6 schwächt und schafft harten Widerstand,

7 weil damit die Hoffnung schwinden kann,

8 der Ort wird leer gefunden

9 – ist doch sehr wahrscheinlich –

10 kann er sich auch füllen,

11 verborgene Hinweise Deiner Existenz mir zeigen,

12 Freude bringen,

13 weil nicht alles verschwunden,

14 was ja nicht verschwunden, sondern nur unsichtbar,

15 unvorstellbare Freude,

16 soviel Licht,

17 dass ich vor Freude springen kann.

18 In der Vorstellung gehe ich die Wege ab,

19 immer wieder,

20 alle Wege, jeden Schritt, das Heben der Beine

21 zeitlupennah und manchmal ganz schnell,

22 zusammengeschnurrt,

23 fühle ich den Schmerz

24 durch die Bilder der Orte in mich hineinfressen,

25 er nagt an mir, er kommt in diesen Momenten

26 auf mich zu,

27 die ich nicht kontrollieren kann,

28 allein der Gedanke, dort zu sein,

29 irgendwann dort hin zu müssen,

30 kann mich schwindlig machen,

31 er macht mich schwindlig.

32 Und dann stehe ich,

33 irgendwo und

34 fühle Dich, wo kein anderer Dich fühlen kann,

35 sehe Dich, wo kein anderer Dich sehen kann,

36 und höre Deine Stimme,

37 so nah,

38 so dicht neben mir,

39 wie Du lebst, und es ist doch,

40 so leer neben mir, nur das Gefühl

41 bleibt und weitet sich aus, bis die Tränen

42 über den Rand laufen,

43 sich nach innen oder außen ergießen müssen.

44 Du lebst, aber ich sehe Dich nicht,

45 gib mir den Ort,

46 und ich suche ihn jeden Tag,

47 bis ich ihn finde,

48 wenn ich sterbe,

49 und ich werde sterben um ihn zu finden,

50 dann hat die Suche ein Ende,

51 aber vielleicht weiß ich dann nicht mehr,

52 wo ich bin,

53 und muss mich selber suchen,

54 und wo

55 bis Du?

 

 

Claus Maywald Lara Maywald Felix Pestemer Monolog

Illustration zum Text „Nabelschnur“

Nabelschnur

1 Du siehst mich ohne Deine Augen,

2 Dein Blick ruht auf meiner Seele

3 dort wo ich Dich mit mir trage und

4 geschützt mit meinem Körper längst mit Dir verschmolzen,

5 eine Einheit, die sich schon durch Generationen gezogen

6 und dort aufgehoben wird,

7 eine letzte Hoffnung

8 Dich am Ende der Tage wieder zu sehen,

9 das Leben weiter zu führen,

10 das uns verwehrt war, obwohl

11 Du doch immer dabei warst und in allen Momenten bei mir bist,

12 so tief und fest wie nie zuvor,

13 Du meine Seele in jedem Moment berühren kannst,

14 mir leise Deine Wünsche flüsterst,

15 die ich vor dem geistigen Auge lesen oder hören kann,

16 Du bist so nah wie nie zuvor,

17 meine Nabelschnur in die Unendlichkeit,

18 geflochten aus der Liebe zu Dir und erwidert durch Deine Liebe.

 

 

Claus Maywald Lara Maywald Felix Pestemer Monolog

Illustration zum Text „Vögel“

Vögel

 1 …den Spuren der Vergangenheit folgen,

2 als ob da etwas geblieben wäre, was damals vermisst,

3 verpasst oder übersehen wäre,

4 – es war natürlich nicht so –

5 Aber jetzt, nach der Zeit,

6 könnten Spuren dort liegen,

7 wo sie früher nicht bemerkt,

8 Trost liegen, der vorher nicht notwendig,

9 und die Zärtlichkeit des Ortes Tröstung spenden,

10 das Rauschen der Gräser Verbindung schaffen,

11 Vertrauen spenden,

12 weil der alte Klang wie der neue klingt,

13 jeder Ton der Vögel schon wie früher war,

14 als ich mit Dir jenen Ort aufgesucht

15 und die Vögel unbemerkt gesungen,

16 mir jetzt um so lauter

17 ihre Gesänge zwitschern,

18 und ich nicht weiß, wie ich mich

19 darüber freuen soll,

20 aber ich freue mich

21 freue mich mit Dir.

 

Claus Maywald Lara Maywald Felix Pestemer Monolog

Illustration zum Text „Sonne“

Sonne.

 1 Diese Orte haben Stärke,

2 geben Phantasien echten Halt,

3 sind so sichtbar, wie Du es gewesen,

4 zeigen sich auch später ohne mich,

5 so wie jetzt auch ohne Dich.

6 Ihre Gegenwart ist der Beweis,

7 das etwas von Dir geblieben,

8 nicht sich alles schneller dreht,

9 so dass mir der wilde Schwindel

10 alle Sicherheiten raubt,

11 an den Kanten steiler Felsen,

12 baut sich mein Vertrauen auf

13 weil sie sich nicht schnell verwandeln,

14 so wie Du,

15 da das Leben aus Dir zog,

16 schneller Dich verwandelte

17 und ich Dir nicht folgen konnte,

18 dieser Wandel meinem Selbst den Boden zog

19 und der Halt

20 an scheinbar festen Steinen,

21 seine letzte Stütze fand,

22 an den Orten,

23 die noch immer langsam ihren Wandel ziehn

24 aber mir so unsichtbar,

25 ewig bleibend

26 so wie Du –

27 der sich auch in Fels verwandelt,

28 mit dem Wasser seines Körpers,

29 aus der hellen Quelle springt,

30 in den Blumen und der Erde,

31 mich zu grüßen sich erlaubt.

32 Hier verstehe ich den Wandel,

33 diese Form ist mir vertraut,

34 die kalte Materie birgt das Vertrauen,

35 finde ich die Bestätigung

36 des ewigen Seins,

37 finde ich Dich

38 an allen Orten,

39 und ohne Deine Wärme,

40 wäre meine Suche am Ende,

41 könnte ich ruhig schlafen,

42 den Kopf auf die schwarze Erde gelegt.

43 Doch es friert mich

44 ohne Deine Wärme,

45 sind selbst die schönsten Blumen

46 nur ein schwacher Trost,

47 will die Erde mich nur vergraben

48 ein kaltes Bett

49 ohne Deine Wärme,

50 die ich an den sonnenbeschienenen Hängen

51 suche,

52 von der Sonne gewärmt,

53 die auch ein Teil von Dir,

54 und mich jetzt ganz erwärmt,

55 am richtigen Ort,

56 mich Dich spüren lässt

57 durch Deine Sonne,

58 deren schönster Ausdruck

59 unsre Liebe war

60 und unsere Liebe ist.